Seit Sommer 2018 setzt die Landesinitiative Fachkraft im Fokus das Instrument Wertenetz© im Rahmen der Beratung von Unternehmen in Sachsen-Anhalt ein. Das Instrument selbst haben wir bereits in dem Interview mit Prof. Lothar Abicht kurz vorgestellt. Nach den ersten neun Monaten Praxiseinsatz haben wir Norbert Köhn, Regionalberater in Magdeburg, nach seinen Erfahrungen mit dem Instrument im Beratungsalltag gefragt.
Blog „Gute Arbeit“: Herr Köhn, Sie verstärken das Team der Regionalberatungsstelle Magdeburg seit Oktober 2018. Wie viele Unternehmen haben Sie seit dem schon vor Ort aufgesucht?
Norbert Köhn: Bis jetzt sind es ca. 25 Unternehmen. Damit wir noch viele weitere Unternehmen unterstützen können, stellen wir Fachkraft im Fokus auf zahlreichen Veranstaltungen von Netzwerkpartnern wie z. B. der HWK Magdeburg oder der IHK Magdeburg sowie auch eigenen Veranstaltungen vor. Wichtig sind dabei die Veranstaltungen, zu denen Unternehmen kommen, die uns noch nicht kennen.
Blog „Gute Arbeit“: Zentraler Auftrag von Fachkraft im Fokus ist die Verbesserung der Fachkräftesicherung in Sachsen-Anhalt. Sie unterstützen daher Unternehmen bei Fragen rund um dieses Thema. Wie oft kam in Ihren Gesprächen die Themen Arbeitgeberattraktivität und „Gute Arbeit“ auf?
Norbert Köhn: Im Grunde genommen ist das Thema Arbeitgeberattraktivität in jedem Gespräch zur Sprache gekommen und in diesem Zusammenhang auch die Gestaltung von „Guter Arbeit“. Wobei man sicherlich differenzieren muss. Wir haben zum einen Unternehmen, die uns direkt nach der Vorstellung von Wertenetz© ansprechen, weil sie sich schon seit einiger Zeit mit dem Thema beschäftigen. Zum anderen sensibilisieren wir Unternehmen zum Thema aktiv bei jedem Erstkontakt vor Ort.
Ein aus meiner Sicht gelungenes Beispiel der Ansprache von Unternehmen ist die Kooperation mit der BARMER Ersatzkasse für den Bereich Magdeburg und Umgebung. Im Rahmen ihrer Seminarreihe zum Jahreswechsel für Arbeitgeber*innen konnten wir – neben der Präsentation von Fachkraft im Fokus allgemein – speziell unserer Angebot Wertenetz© Unternehmen der Region vorstellen, was auf reges Interesse gestoßen ist.
Mein Tipp: Sollten Sie als Personalverantwortliche von Wertenetz© erfahren haben und an weiterer Unterstützung interessiert sein, geben Sie die Informationen an Ihre Geschäftsführungen weiter und wir kommen zu Ihnen ins Unternehmen, um die Möglichkeiten zu besprechen.
Blog „Gute Arbeit“: Okay, wie müssen wir uns den Einsatz von Wertenetz© vorstellen? Wie gehen Sie konkret in diesem Begleitprozess vor?
Norbert Köhn: Bei einem solchen Vor-Ort-Termin erläutere ich zunächst einmal das Instrument an sich und erkläre, wie das Unternehmen mit dem Landessiegel „Mitarbeiterorientiertes Unternehmen – Hier fühle ich mich wohl“ ausgezeichnet werden kann.
Bevor jedoch die organisatorischen Aspekte abgeklärt werden, finde ich es ganz entscheidend für den nachhaltigen Erfolg, dass sich die Verantwortlichen im Unternehmen über ihre Absichten klar sind, die mit der Mitarbeiterbefragung und dem Landessiegel verfolgen. Ich frage z. B.: „Was wollen Sie mit der Befragung und mit dem Siegel erreichen?“.
Die größtmögliche Wirkung erzielen wir, wenn das Unternehmen Wertenetz© zur Standortbestimmung nutzt und sich so die Grundlage für mögliche Veränderungsprozesse erarbeitet. Den Ablauf der Befragung planen wir dann gemeinsam mit dem Unternehmen, das auch Einfluss auf die Ausgestaltung der Befragung nehmen kann. Wir unterstützen die Verantwortlichen, sofern sie es wünschen, bei der Kommunikation des Vorhabens gegenüber der Belegschaft.
Jedes Unternehmen erhält anschließend entsprechend der Anzahl der Beschäftigten sogenannte Token, das sind Zugangscodes für die Online-Befragung. Jeder Token kann nur einmal verwendet werden. Wir empfehlen den Unternehmen, die Token an die Mitarbeiter*innen zu verlosen, um die Teilnahmebereitschaft im Sinne der Anonymität zu fördern.
Gut eine Woche nach Abschluss der Befragung übersende ich den Verantwortlichen eine Kurzauswertung, die die Teilnahmequote und das Gesamtergebnis beinhaltet. Sofern die Ergebnisse der Befragung positiv sind, verweise ich nochmal auf die Möglichkeit des Unternehmens, das Landessiegel zu beantragen.
Sobald die vollständige Auswertung vorliegt, vereinbare ich einen Termin vor Ort im Unternehmen, um dort die Ergebnisse zu präsentieren und mögliche Maßnahmen abzuleiten. Diese Maßnahmen können umfangreiche Veränderungsprozesse sein. Hier übergeben wir dann an Personal- und Organisationsentwicklungsberater*innen im Rahmen unserer Lotsenberatung. Diese können dann auf der Basis der Befragungsergebnisse mit dem Unternehmen weiterarbeiten.
Blog „Gute Arbeit“: Worauf sollte die Geschäftsführung eines Unternehmens, die mit Wertenetz© arbeiten will, auf jeden Fall achten?
Norbert Köhn: Meiner Erfahrung nach gibt es hier vier Punkte, die man als Erfolgsfaktoren bezeichnen könnte:
- Bereitschaft der Geschäftsführung die Beschäftigten einzubinden und die Belegschaft einzuladen, aktiv an der Gestaltung der Unternehmenskultur teilzunehmen
- Offene Kommunikation über die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung vor der gesamten Belegschaft und transparente Darstellung deren Ziels „Einleitung von Veränderungsprozessen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität“
- Offene und verlässliche Kommunikation über die Anonymität und Bitte um zahlreiche Teilnahme, Einladung zur Mitgestaltung mit dem Ziel einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit
- Nachvollziehbare Kommunikation der Befragungsergebnisse sowie tatsächliche Einleitung von Maßnahmen/ Umsetzung eines nachhaltigen Prozesses
Blog „Gute Arbeit“: Wenn sich ein Unternehmen diesen Herausforderungen gestellt hat, was kann es mit den Ergebnissen anfangen und inwiefern nutzen Sie diese Ergebnisse für Ihre Arbeit?
Norbert Köhn: Das Unternehmen erhält präzise und umfassende Informationen über das, was seinen Arbeitnehmer*innen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit wichtig ist und wie sie dies umgesetzt sehen. Das Ergebnis zeigt der Geschäftsführung auf, in welchen Bereichen das Unternehmen bereits gut aufgestellt ist und in welchen noch Verbesserungspotentiale liegen.
Wertenetz© ist somit Mittel zum Zweck, um Veränderungen anzustoßen. In jedem Fall ist die Befragung für die Geschäftsführung eine Standortbestimmung und die Grundlage für die Initiierung von Veränderungsprozessen.
Mit Erreichung eines positiven Befragungsergebnisses kann das Unternehmen die Verleihung des Landessiegels „Das mitarbeiterorientierte Unternehmen- Hier fühle ich mich wohl“ beantragen. Das Landessiegel kann dann werbewirksam zur Gewinnung von neuen Mitarbeiter*innen genutzt werden.
Aus jeder Mitarbeiterbefragung, die wir begleiten, gewinnen wir wertvolle Informationen, die wir als Multiplikatoren zum Thema Arbeitgeberattraktivität ins Land tragen können.
Blog „Gute Arbeit“: Sie haben bis heute insgesamt sechs Unternehmen mit Wertenetz© persönlich begleitet. Was können Sie feststellen, wenn Sie das „Vorher“ und „Nachher“ eines Begleitprozesses betrachten? Was hat Sie dabei besonders beeindruckt?
Norbert Köhn: Wenn man von einem „vorher“ sprechen kann, dann habe ich zu diesem Zeitpunkt sicherlich eine Spannbreite von positiver Erwartungshaltung der Geschäftsführung bis vorsichtigem Misstrauen der Beschäftigten wahrgenommen.
Die Auseinandersetzung mit den Befragungsergebnissen führte zur Objektivierung des Bildes der Belegschaft vom eigenen Unternehmen. Das war insofern hilfreich, als das es die Diskussion versachlicht hat und ein konstruktiveres Arbeiten an Lösungsvorschlägen möglich wurde.
Was mich hier beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass die Geschäftsführungen ihre Mitarbeiter*innen doch erstaunlich gut kennen und dennoch mit den Bewertungen der Belegschaft im Vergleich zu den eigenen Vorstellungen überrascht wurden.
Blog „Gute Arbeit“: Einige der Unternehmen, die Wertenetz© erfolgreich eingesetzt haben, haben beim Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration einen Antrag auf Verleihung des Landessiegels „Das mitarbeiterorientierte Unternehmen – Hier fühle ich mich wohl!“ gestellt. Welche Erwartungen verbinden Sie mit der Einführung einer solchen Auszeichnung?
Norbert Köhn: Mit der Auszeichnung kann sich das Unternehmen auf dem Fachkräftemarkt von anderen Teilnehmern abheben und somit einen Wettbewerbsvorteil ausspielen. Darüber hinaus stellt die Auszeichnung eine besondere Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiter*innen dar. Sie erfahren die Wertschätzung Teil eines „Mitarbeiterorientierten Unternehmens“ zu sein, einem Unternehmen, das im Wandel der Zeit die Zeichen erkannt hat.
Bezogen auf den Wertewandel in unserer Arbeitswelt kommt dieses einem gesellschaftlichen Wandel im Kleinen gleich. Ich freue mich, wenn Arbeitgeber*innen gegenüber ihrer Belegschaft verkünden: „Schaut mal das ist Euer Siegel!“
Blog „Gute Arbeit“: Herr Köhn wir danken Ihnen für das Gespräch.