Das Wertenetz© nachgefragt Teil 1:

Möglichkeiten des Instrumentes für Unternehmen in Sachsen-Anhalt

Denken wir an „Gute Arbeit“ und an interessante Arbeitgeber dann landen wir in Deutschland schnell bei den „Großen“ in Baden-Württemberg oder Bayern. Gerade heute „flatterte“ wieder eine E-Mail ins Postfach mit der Überschrift: „HR-Gehälter 2018: Automobilebranche zahlt am besten“. Aber geht es wirklich nur darum, wer am meisten zahlt?

Viele Beispiele aus der täglichen Arbeit der Landesinitiative Fachkraft im Fokus zeigen, dass es offensichtlich um mehr geht. Das isw Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung gGmbH hat sich mit diesem „mehr“ beschäftigt und das Instrument Wertenetz© entwickelt, das auf der Basis einer Mitarbeiterbefragung eine Bestandsaufnahme macht, um herauszubekommen, wie die Wünsche von Beschäftigten und Unternehmensführung zur Gestaltung der Arbeit mit der Wirklichkeit zusammenpassen.

Für Unternehmen in Sachsen-Anhalt besteht die besondere Gelegenheit in Zusammenarbeit mit ihrer jeweiligen Regionalberatungsstelle von Fachkraft im Fokus eine solche Bestandsaufnahme kostenfrei durchzuführen.

Bildnachweis: www.ThomasReinhardt.de

Was Wertenetz© eigentlich ist und wie es funktioniert haben wir den verantwortlichen Geschäftsführer des isw Prof. Dr. Lothar Abicht gefragt.

 

 

Blog „Gute Arbeit“: Prof. Abicht Sie und Ihr Team haben sich in den letzten Jahren mit dem Einfluss von Werten auf die Unternehmensentwicklung beschäftigt. Warum die Auseinandersetzung mit den Werten eines Unternehmens aus Ihrer Sicht notwendig?

Prof. Abicht: Im Zusammenhang mit der Recherche zu dem oft diskutierten Generationenkonflikt zwischen den „Babyboomern“ und den Generationen X und Y** stellte sich unweigerlich die Frage: „Was ist der jeweiligen Generation wichtig, worauf legt sie wert?“ Untersucht haben wir diese Frage insbesondere im Kontext der Arbeit und des Arbeitsumfeldes, da hier wahrnehmbar das größte Konfliktpotenzial zwischen den Generationen liegt. Damit war es nur folgerichtig, sich intensiver mit den Werten von Unternehmen bzw. Organisationen zu beschäftigten. Wir haben dabei jedoch nicht den Ansatz eines „wertorientierten Unternehmens“ verfolgt, das die zu lebenden Werte vorgibt, sondern haben den Fokus auf die Beschäftigten gelegt und hier nachgefragt.

Blog „Gute Arbeit“: Entstanden ist unter anderem das Instrument Wertenetz©. Was ist Wertenetz© und was kann es?

Prof. Abicht: Wertenetz© ist ein onlinegestütztes Befragungsinstrument, das schnelle und präzise Ergebnisse durch eine grafisch unterstützte Auswertung liefert. Ermittelt werden die Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklich der Werte im Unternehmen. Die Befragung konzentriert sich dabei auf fünf Kategorien [A] Persönliche Entwicklung, [B] Verbindung von Arbeit und Privatleben, [C] Gestaltung von Arbeitsprozessen, [D] Kommunikation und Bewertung der Arbeit sowie [E] Mitarbeiter finden als gesonderte Kategorie.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können angeben, wie wichtig ihnen bestimmte Werte sind und wie diese Werte im Unternehmen umgesetzt werden. Daraus ergibt sich entweder Übereinstimmung oder Differenz. Die Auswertung der Differenzen zeigt, wo die MA ihre Werte nicht verwirklicht sehen und gibt der Unternehmensführung Hinweise zu Maßnahmen mit dem Ziel, Wertedifferenzen abzubauen.

Blog „Gute Arbeit“: Welchen Nutzen haben Unternehmen die Wertenetz© einsetzen? Wozu können Geschäftsführungen die Ergebnisse und Erkenntnisse verwenden?

Prof. Abicht: Mit Wertenetz© können wir nicht nur die Beschäftigten eines Unternehmens befragen sondern – sofern gewünscht – auch die Unternehmensführung. Ebenso möglich ist auch die Bestimmung von Unterschieden zwischen Altersgruppen, Abteilungen usw. Die Auswertung liefert den Unternehmensverantwortlichen somit ein sehr genaues Bild der Wahrnehmung des Unternehmens seitens der Beschäftigten im Vergleich zur Geschäftsführung.

Auf Basis der ermittelten Differenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit schlägt Wertenetz© eine Liste von Maßnahmen aus 17 Handlungsfeldern vor, die den höchsten Wirkungsgrad haben, um diese Verwerfungen zu beseitigen. Welche Maßnahmen umgesetzt werden und welche nicht in Frage kommen, entscheidet die Geschäftsführung.

Unternehmen in Sachsen-Anhalt haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie die Analyseergebnisse gemeinsam mit den Regionalberaterinnen bzw. Regionalberatern von Fachkraft im Fokus besprechen können, die ihnen bei der Initiierung der ausgewählten Maßnahmen helfen.

Blog „Gute Arbeit“: Welche Erkenntnisse konnten Sie und Ihr Team bei der Arbeit mit dem Instrument Wertenetz© gewinnen? Welche Entwicklungen haben Sie bei den Unternehmen beobachtet?

Prof. Abicht: Für uns ist es interessant zu beobachten, welche Reflexionsprozesse bereits durch die Befragung mit Wertenetz© angestoßen werden: sei es der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bezug auf sich selbst (Was ist mir wichtig?) bzw. in Bezug auf den eigenen Arbeitgeber (Wie erlebe ich es bei meinem Arbeitgeber?), sei es der Unternehmensführung in Bezug auf das eigene Selbstverständnis (Welchen Anspruch habe ich an mein Führungshandeln?) und die erlebte Wirklichkeit (Was kann ich davon umsetzen?) in der Organisation.

Die Auseinandersetzung mit den Befragungsergebnissen als Ganzes trägt unserer Erfahrung nach im erheblichen Maß zur Objektivierung des Bildes der Beschäftigten vom eigenen Unternehmen bei. Der Geschäftsführung bietet sie die Chance, eigene Vorstellungen mit denen der eigenen Belegschaft zu spiegeln.

Blog „Gute Arbeit“: Prof. Abicht aufgrund Ihrer Erfahrungen, was würden Sie sagen, für welche Unternehmen ist Wertenetz geeignet? Was sollten Unternehmen beachten, wenn Sie mit Wertenetz arbeiten?

Prof. Abicht: Grundsätzlich kann jedes Unternehmen egal welcher Größe bzw. Branche Wertenetz© als Befragungsinstrument einsetzen. Wir legen jedoch besonderen Wert auf die Sicherstellung des Datenschutzes und die Wahrung der Anonymität der Befragten. Daher können wir insbesondere bei Kleinstunternehmen eine Auswertung nach soziodemografischen Daten nicht in jedem Fall gewährleisten, sondern arbeiten hier mit aggregierten Daten.

Wesentlich für den Erfolg und die Nachhaltigkeit einer solchen Befragung sind aus meiner Sicht Ehrlichkeit und Transparenz hinsichtlich des Durchführungsprozesses und im Umgang mit den Analyseergebnissen. Dann sind die 20 Minuten, die das Ausfüllen eines Fragebogens ungefähr dauert, eine gut investierte Zeit.


** Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei das Buch „Heimliche Gewinner und stille Revolutionäre“ (2013) von Prof. Abicht erschienen im Goldegg Verlag (ISBN: 978-3-903090-37-8; ISBN E-Book: 978-3-903090-38-5) empfohlen.