Was geht so alles bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

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Wie wichtig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, führt uns aktuell die Corona-Pandemie vor Augen. Erstaunlicherweise stellen viele Unternehmen fest, dass die Umsetzung von mehr Familienfreundlichkeit gar nicht weh tut. Die meisten dieser familienfreundlichen Maßnahmen beziehen sich aktuell auf die Flexibilisierung des Arbeitsortes und der Arbeitszeit. Jedoch ist die Klaviatur der Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf weitaus größer. Das Schöne an vielen Maßnahmen ist, dass sie nicht immer mehr Geld kosten.

Die Basis – Familienfreundlichkeit als zentraler Unternehmenswert

Der Weg zur gelebten Familienfreundlichkeit und einer besseren Vereinbarkeit beginnt im Kopf und muss in der Unternehmenskultur verankert sein. Angebotene Maßnahmen in diesem Kontext sind nur dann sinnvoll, wenn sich die Mitarbeiter:innen ohne schlechtes Gewissen trauen, diese auch zu nutzen. Das heißt von der Unternehmensleitung und den Führungskräften muss Familienfreundlichkeit ehrlich vorgelebt werden. Diese Einstellung muss bereits im Recruitingprozess aber spätestens im Onboarding für Mitarbeiter:innen spürbar werden.

Das kann (fast) jeder!

Nicht jede Maßnahme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in jedem Unternehmen oder in jeder Branche umsetzbar. Jedoch gibt es Maßnahmen, die prädestiniert sind, wenn es um Familienfreundlichkeit geht.

Networking: Unternehmensinterne oder auch -übergreifende Netzwerke können helfen, viele Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu meistern. Wie komme ich an einen Kindergartenplatz? Welcher Sportverein ist für meine Kinder geeignet? Wie finde ich eine pflegegerechte Wohnung für meine Eltern? Diese Fragen können oftmals unkompliziert über unternehmensinterne Gruppen in Social Media, Slack oder anderen digitalen Medien gelöst werden. Für alle, die Social Media nicht mögen, gibt es andere Ansätze. Was hält Sie davon ab, einen „Elternabend“ mit gleichgesinnten ins Leben zu rufen. Auch Kaffeerunden, gemeinsame Spieleabende oder einfach nur ein organisierter Spaß-Spiel-Tag sind denkbar. Dies ist gerade für Mitarbeiter:innen, die oft oder ausschließlich im Home-Office arbeiten, eine hervorragende Möglichkeit, mehr direkte Bindung zu den Kolleg:innen und zum Unternehmen zu erhalten. Ganz nebenbei lernen die Kinder etwas über die Arbeit von Mutti und Vati. Wenn rechtliche oder andere Bedingungen dies vor Ort nicht zulassen, dann geht es auch virtuell. Fast jede/r Büromitarbeiter:in hat in den letzten beiden Jahren schon einmal erlebt, welchen Spaß die Kinder haben, wenn Sie auch einmal über das Headset „Hallo“ sagen können.

Kümmerer installieren

Oftmals hilft eine Anlaufstelle im Unternehmen für familiäre Probleme. Dies ist im Optimalfall eine Vertrauensperson, an die sich Beschäftigte bei Fragen und Problemen rund um das Elternsein oder auch die Pflege von Angehörigen wenden können. Diese Vertrauensperson sollte möglichst Unabhängigkeit in der betrieblichen Hierarchie genießen. Ein anderer wirkungsvoller Weg sind externe Kümmerer bzw. öffentliche Anlaufstellen. Diese sind bisher oft nicht ausreichend in den Unternehmen bekannt. Die Landesinitiative Fachkraft im Fokus bietet mit dem WelcomeCenter Sachsen-Anhalt einen hervorragenden Service für Fachkräfte, die in Sachsen-Anhalt leben und arbeiten möchten. Von den Kolleg:innen des WelcomeCenters erhalten Unternehmen Anregungen zur Gestaltung ihrer familienfreundlichen Angebote und bekommen Ansprechpartner:innen und Expert:innen zum Thema vermittelt.

Arbeitsorganisation

An den Themen Arbeitszeit und Arbeitsort kommt kein Unternehmen vorbei, wenn es Punkte auf dem Familienfreundlichkeitskonto sammeln will. Oftmals sind es ganz einfache organisatorische Maßnahmen, die viel Nutzen stiften. Dazu gehören zum Beispiel familienfreundliche Besprechungszeiten. Nichts erzeugt Eltern mehr Stress, wenn die wichtigste Besprechung der Woche in Zeiten liegt, in denen mit einem Anruf aus der Schule oder dem Kindergarten zu rechnen ist. Dies kann beispielsweise die Zeit zwischen 8:30 Uhr und 9:00 Uhr sein, wenn die Kinder in der Schule gerade auf Corona getestet wurden. Auch die Vereinbarung von Familienzeiten ist eine einfach zu realisierende Idee. Dies sind Zeitfenster z. B. in der Zeit von 7:00 bis 9:00 Uhr oder 16:00 bis 19:00 Uhr, die ausschließlich der Familie gehören. Einige Unternehmen haben mittlerweile auch sogenannte „Work-Alone-Zeiten“ eingeführt. In diesen Zeiträumen bestimmen Mitarbeiter:innen frei, ob sie an Besprechungen teilnehmen bzw. erreichbar sind. Die Zeiträume können entweder für familiäre Belange oder konzentrierte Arbeit an Unternehmensaufgaben genutzt werden.

Flexibilität bei wirklichen Notfällen und Sondersituationen

Nicht immer reichen die gesetzlichen Tage aus, um Krankheit von Kindern, Geburt oder pflegebedürftige Angehörige unter einen Hut zu bekommen. Ein erster Schritt von Unternehmen ist es, bei zusätzlichem Zeitbedarf Flexibilität zu zeigen. Dazu kann z. B. eine individuelle Anpassung von Arbeitszeiten gehören. Die „hohe Schule“ sind die Einführung von zusätzlichen voll bezahlten Ausgleichstagen oder auch die Einführung von sogenannten Emergency-Days. Diese helfen Eltern unkompliziert bei besonderen Situationen wie einer unerwarteten Kita-Schließung.

Mein Fazit: Jedes Unternehmen kann familienfreundlicher werden. Dies ist heutzutage ein Muss bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Vielen Maßnahmen zur Erhöhung der Familienfreundlichkeit sind nicht unbedingt mit Geld verbunden. Jedoch muss der Wille vorhanden sein, bisherige Regelungen und Organisation infrage zu stellen.