Psychische Belastungen am Arbeitsplatz und Gefährdungsbeurteilung

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von Gina Pick

Psychische Gesundheit der Beschäftigten gewinnt immer mehr an Bedeutung. Gesundheit umfasst laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht nur das Fehlen von Krankheiten, sondern auch das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden eines Menschen. Demographischer Wandel, Fachkräftemangel, COVID-19-Pandemie und globale Krisen haben die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit stärker als je zuvor in den Fokus gerückt.

Herausforderungen der modernen Arbeitswelt

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz umfassen alle Einflüsse, die von außen auf Beschäftigte einwirken. Sie können als Stress (negativ) oder als Anreiz (positiv) wahrgenommen werden. Dabei ist zu beachten, dass eine vollständige Vermeidung von Belastungen im Arbeitsumfeld weder möglich noch sinnvoll ist. Vielmehr strebt der gesetzliche Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GbPsych) an, die Grenze zwischen herausfordernden, gesundheitsförderlichen Bedingungen und überfordernden, potenziell krankmachenden Belastungen zu definieren und zu bewahren.

Diese Gratwanderung ist herausfordernd und verlangt von Unternehmen eine hohe Flexibilität und Achtsamkeit. Mitarbeiter:innen, die sich mental gut aufgehoben fühlen, sind leistungsfähiger, belastbarer und enger an das Unternehmen gebunden. Die Förderung der Resilienz gegenüber Belastungen, wird somit zu einer wichtigen Führungsaufgabe für jedes Unternehmen.

Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?

Eine Gefährdungsbeurteilung ist ein zentrales Element des betrieblichen Arbeitsschutzes und wird seit dem 1. Januar 2014 durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) um den Aspekt der psychischen Belastungen erweitert. Grundsätzlich gibt es keine allgemeingültige Checkliste zur Gefährdungsbeurteilung, da diese individuell an das jeweilige Unternehmen und den Arbeitsbereich angepasst werden kann. Folgende Aspekte sollten jedoch bei einer Gefährdungsbeurteilung enthalten sein (die Liste kann je nach Bedarf erweitert werden) :

  • Gestaltung und Einrichtung des Arbeitsplatzes
    • Ergonomie des Arbeitsplatzes
    • Beleuchtung, Luftqualität, Lärmpegel
    • Zugänglichkeit und Fluchtwege
  • Arbeitsinhalt/-aufgabe
    • Handlungsspielraum, Verantwortung
    • Emotionale Inanspruchnahme
    • Informationsangebot, Vollständigkeit
    • Abwechslung
  • Arbeitsorganisation
    • Arbeitszeit
    • Arbeitsablauf (Unterbrechungen, Zeitdruck, Pausenzeiten)
    • Kommunikation, Kooperation
    • Vereinbarkeit Beruf, Familie und Privatleben
  • Soziale Beziehungen
    • Beziehung zu den Kolleg:innen
    • Beziehung zu den Vorgesetzten
  • Arbeitsmittel und Gefahrenstoffe
    • Sicherheit im Umgang mit Maschinen
    • Schutzausrüstung
    • Schulung/Unterweisung
  • Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten
    • Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen
    • Regelmäßige Informationen über Arbeitsrisiken
    • Bedarf an Schulungen und Fortbildungen

Maßnahmen zur Reduktion psychischer Belastungen am Arbeitsplatz

1. Erkennen und Analysieren von Belastungsfaktoren

Ein erster Schritt zur Identifizierung psychischer Belastungen ist die Analyse betrieblicher Kennzahlen. Daten zu Krankheitsausfällen, Arbeitsunfällen, Fluktuation, Überstunden und Reklamationen können Hinweise auf bestehende Belastungen geben. Führungskräfte sollten zusätzlich auf Verhaltensänderungen bei Mitarbeiter:innen achten: Symptome wie zunehmende Unaufmerksamkeit, Demotivation, Frustration, Konzentrationsschwierigkeiten oder gereizte Umgangstöne können erste Anzeichen für übermäßigen Stress oder mentale Belastung sein.

2. Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GBpsych)

Die GBpsych umfasst verschiedene Erhebungsmethoden, die individuell oder kombiniert eingesetzt werden können: Fragebögen zur Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden, Mitarbeitergespräche und Interviews, Beobachtungen am Arbeitsplatz sowie Gruppengespräche oder Workshops, die zudem die Kommunikationsstruktur im Unternehmen positiv beeinflussen.

3. Maßnahmen zur Vertrauensbildung und Teamentwicklung

Regelmäßige teamstärkende Maßnahmen fördern Offenheit und Vertrauen unter den Mitarbeitenden, was die Grundlage für eine gesunde Arbeitsumgebung bildet. Teams sollten durch gemeinsame Aktivitäten und Teamentwicklungsmaßnahmen gestärkt werden, um Konfliktpotenziale zu reduzieren und den Teamgeist zu stärken.

4. Unterstützung und Weiterentwicklung der Führungskräfte

Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle für die psychische Gesundheit im Team. Um eine gesunde und unterstützende Arbeitsumgebung zu schaffen, sollten sie selbst reflektiert und ausgeglichen sein. Die eigene soziale und kommunikative Kompetenz ist entscheidend, um in herausfordernden Situationen ruhig zu bleiben und Konflikte lösungsorientiert zu meistern. Ein Coach kann dabei helfen, die Führungskompetenzen zu vertiefen und die GBpsych effizienter in die Führungsarbeit zu integrieren. Die Führungskräfte haben hier außerdem eine unterstützende Rolle, indem sie eine Arbeitsumgebung schaffen, in der Mitarbeitende offen über Probleme sprechen können.

Durch das Zusammenspiel dieser Maßnahmen kann ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, das die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden fördert und den Anforderungen des modernen Arbeitslebens gerecht wird. Trotz gesetzlicher Verpflichtung wird die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in vielen Unternehmen bislang vernachlässigt. Besonders der Bereich der psychischen Belastungen erfordert eine sorgfältige Bewertung, da mentale Gesundheit und das Verhalten von Menschen komplexe Themen sind. Hierfür empfiehlt sich die Unterstützung durch Expertinnen und Experten

Quellen:

Gruber, Harald; Molnar, Martina; Richter, Gabriele; Vanis, Margot (2016). Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Psychische Belastungen – Checklisten für den Einstieg. (5. Aufl.) InfoMediaVerlag e.K.: Bochum.

Hahnzog, Simon; Meyer-tischler, Melanie; Faltermeier, Melanie (2022). Psychische Gefährdungsbeurteilung. Impulse für den Mittelstand. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH: Wiesbaden. ISBN 978-3-658-39278-9