Bewerberinnen und Bewerbern die richtigen Fragen stellen

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Ein professioneller Bewerbungsprozess ist ein Indikator für einen guten Arbeitgeber. DENN bereits vor dem Eintritt in das Unternehmen, können interessierte Fachkräfte meist deutlich erkennen, wie mitarbeiterorientiert das Unternehmen tatsächlich ist. Arbeitgeberportale wie beispielsweise kununu.de bilden dies ab und bieten Bewerbenden die Möglichkeit, auch ihren Bewerbungsprozess bei Unternehmen zu bewerten. Der Begriff, der dahinter steckt ist, nicht ganz neu (zumindest in der Theorie!) und lautet „Candidate Experience“.

Zu den Aspekten, die bereits im Bewerbungsprozess für eine positive Bewerbererfahrung bedeutsam sind, zählen:

  • Transparenz des Bewerbungsprozess:
    Können Ihre Kandidatinnen und Kandidaten nachvollziehen, was gerade im Hinblick auf ihre Bewerbung passiert?
  • Kommunikation mit den Bewerbenden:
    Auf welche Art und Weise und wie schnell erfolgen Rückmeldungen auf eingehende Dokumente und Fragen Ihrer Kandidatinnen und Kandidaten?
  • Ausgestaltung des Auswahlverfahrens:
    Wie objektiv und wie fair ist das Bewerbungsverfahren?
  • Umgang mit Bewerbenden:
    Wie wertschätzend wird mit den Bewerbenden umgegangen? Woran können diese erkennen, dass sie willkommen sind?

Ich möchte heute einen ganz spezifischen Aspekt herausgreifen, der aus meiner Sicht einerseits einiges über die Fairness des Unternehmens und einen wertschätzenden Umgang mit den Bewerbenden aussagt. Andererseits liefert er wichtige Informationen für das Unternehmen und unterstützt die Entscheidung für oder gegen einen Bewerbenden!

Die Rede ist von der Fragengestaltung im Bewerberinterview bzw. im Bewerbungsgespräch.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie eine klare Fragenstrategie? Sind Ihre Fragen spezifisch oder entsprechen diese dem allgemeinen Standard?

Im Folgenden möchte ich Ihnen einige Anregungen geben.

Auf Standardfragen können sich Bewerber*innen gut einstellen und die Antworten weitestgehend schon im Vorfeld parat haben. Insofern besitzen diese aus meiner Sicht keine große Aussagekraft. Typische Standardfragen sind:

  • Was sind Ihre Stärken?
  • Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
  • Warum sind genau Sie der/die Richtige für den Job?

Nicht fehlen sollten im Gespräch auf die Biografie der Bewerbenden bezogene Fragen, die das Verhalten in erlebten Situationen beleuchten. Beispiele sind:

  • Mit welchen Branchen hatten Sie bisher zu tun? Welche Erfahrungen aus diesen Branchen konnten Sie bisher besonders nutzen?
  • Aus welchen Gründen haben Sie genau diese Zusatzqualifikation für Ihre berufliche Entwicklung genutzt? Wie können Sie das erworbene Wissen für die ausgeschriebene Stelle einsetzen?
  • Wie zufrieden waren Sie mit dem Projekt XY, das Sie in Ihren Bewerbungsunterlagen hervorgehoben haben?
    • Wie groß war Ihr Anteil am Ergebnis?
    • Welche Probleme gab es? Wie haben Sie diese gelöst?
    • Was hat das Projekt im Unternehmen bewirkt?

Interessant sind auch meiner Sicht auch folgenden Fragen, die ich in dem Artikel von Birgit Nistler „Das Optimum aus dem Bewerbungsgespräch herausholen!“ im Magazin für Berufsausbildung (Position II: Quartal 2019. Seite 19) gefunden habe, mit denen Sie hoffentlich interssante Diskussionen anstoßen:

  • Welchen Anteil hat Glück an Ihrer Karriere?
  • Können die besten auch die beliebtesten Mitarbeiter sein?
  • Welche unpopulären Standpunkte mussten Sie in der Vergangenheit vertreten?
  • Inwiefern schadet zu viel Harmoniebedürfnis dem Erfolg?
  • Wie empfinden Sie die Eigenschaften Disziplin, Ehrgeiz und Kritikfähigkeit?
  • Wie geht es Ihnen, wenn Sie spontan eine kleine Rede halten müssen?
  • Eine starke Persönlichkeit orientiert sich nicht an anderen Meinungen? Inwiefern stimmt das?
  • Was kann ich von Ihnen besonders lernen?

Mit sogenannten Brainteasern prüfen Sie die Kreativität und die Spontanität der Bewerbenden. Diese können den Bewerbenden durchaus Stress erzeugen. Insofern machen diese Fragen bei manchen Zielgruppen Sinn (z. B. bei Einstellung eines Vertriebsmitarbeiters) und bei anderen (z. B. Auszubildenden) sollte man eher von dieser Art der Fragen absehen. Beispiele für Brainteaser sind:

  • Wie viel Umsatz wird in Japan jährlich mit wiederverwendbaren Stäbchen gemacht?
  • Wie können Sie bei geschlossener Tür testen, ob ein automatisches Licht im Bad tatsächlich ausgeht?
  • Wie schwer ist Manhattan?
  • Wie viele Klavierstimmer leben in Paris?
  • Warum sind Kanaldeckel rund und nicht eckig?

Einige Unternehmen setzen Persönlichkeitsfragen ein. Besonders tun sich dabei Beratungsunternehmen hervor. Typische Fragen sind:

  • Wie würde der Titel Ihrer Autobiografie lauten?
  • Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie und warum?
  • Welchen Rat würden Sie Ihrem 15-Jährigen Ich geben?
  • Was wäre Ihr Traumjob, wenn Sie irgendeinen aussuchen könnten?

Bei diesen Fragen ist es aus meiner Sicht notwendig, in einem zweiten Schritt eine auf das eigene Unternehmen zugeschnittene Frage anzuschließen. Anderenfalls erhalten Sie Informationen, mit denen Sie wenig anfangen können.

Mein Fazit:

Bringen Sie Struktur in Ihre Einstellungsinterviews, aber lassen Sie genügend Luft für Individualität. Dies geschieht am besten mit einem halbstandardisierten Interview, einer Mischung aus offenem und standardisiertem Interview mit einer Checkliste von Fragen, deren Zeitpunkt jedoch nicht festgelegt ist.

  • Passen Sie die Fragen und die Fragentypen auf die Zielgruppe und die ausgeschriebene(n) Stellen an.
  • Geben Sie den Bewerbenden ein faires und wertschätzendes Feedback auf manchmal „gemein“ erscheinende Fragen.
  • Denken Sie immer an folgende zwei Leitsätze:
    • Wer fragt, der führt das Gespräch!
    • Lieber fragen als sagen!