Miteinander – Füreinander

Bildnachweis: (c) habilis gGmbH

Als eine Einrichtung des Sozial- und Wohlfahrtsverbandes der Volkssolidarität bietet die habilis-gGmbH Seniorenresidenz „Am Eiskellerplatz“ 93 älteren Menschen ein Zuhause. Getreu des Leitbildes „Miteinander – Füreinander – Solidarität leben“ wird, eine Fülle von unterschiedlichen Aktivitäten angeboten, bei deren Gestaltung die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner großgeschrieben wird. Dieses „Miteinander und Füreinander“ spiegelt sich auch in der Personalarbeit wider – unter anderem ein Grund für die Auszeichnung der Einrichtung mit dem Landessiegel „Das mitarbeiterorientierte Unternehmen – Hier fühle ich mich wohl“.

Wir haben die Geschäftsführerin Cornelia Stegemann gefragt, was für sie „Gute Arbeit“ ausmacht.

Blog „Gute Arbeit“: Frau Stegemann, was verbinden Sie mit „Guter Arbeit“?

Cornelia Stegemann: Ich persönlich nehme das Feedback meines Teams, der Bewohnerinnen und Bewohner aber auch der Besucherinnen und Besucher als Maßstab für „Gute Arbeit“. Mein Ziel ist es deshalb, ein positives Feedback zu bekommen. Das kommt natürlich nicht von allein, sondern ist das Ergebnis ständiger Kommunikation, Mitbestimmung und Einbeziehung aller Seiten, insbesondere der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Gute Arbeit“ und damit auch „Gute Pflege“ kann meiner Meinung nach nur gelingen, wenn alle miteinander ein gemeinsames Ziel verfolgen und daran arbeiten, dass es erreicht wird. Dazu ist die Kommunikation miteinander und das Herstellen von Transparenz durch die Berücksichtigung aller Beteiligten ein zentraler Erfolgsfaktor. Kurz gesagt: Das, was sie vorhaben und umsetzen, muss nachvollziehbar und überprüfbar sein.

Blog „Gute Arbeit“: Wenn Sie an Ihre Aufgaben denken, die Sie täglich zu erledigen haben, wie muss man sich die Umsetzung von „Guter Arbeit“ konkret vorstellen?

Cornelia Stegemann: Wenn ich davon spreche, mein ganzes Team einzubinden, dann meine ich alle Kolleginnen und Kollegen, nicht nur die Pflegekräfte, die Sozialpädagogen, Ergo- und Physiotherapeuten sondern auch die Küche, die Instandhaltung sowie auch die Verwaltung.

Ich bin deshalb ständig im Haus unterwegs und habe das Gefühl, dass dadurch ein stetiger Informationsfluss besteht. Die Herausforderung dabei ist, offen für Probleme zu sein und gleichzeitig die Führung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der gesamten Einrichtung nicht aus den Augen zu verlieren. Das bedeutet auch, die Lösung von Problemen dem eigenen Team anzuvertrauen. Ich finde es toll, wenn man gemeinsam Herausforderungen angeht, Lösungen findet und dauerhaft umsetzt.

Als Führungskraft ist es meines Erachtens jedoch ganz wichtig, nicht nur das Tagesgeschäft zu berücksichtigen, sondern auch den Blick nach vorne zu wagen und zukunftsdenkend zu sein. Es ist entscheidend, dass es mir als Vorgesetzte gelingt, die Sicherheit für die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen und ihnen diese Sicherheit auch zu vermitteln.

Blog „Gute Arbeit“: Bei der Suche nach Fachkräften stehen Sie heutzutage als Arbeitgeber in Konkurrenz mit anderen Unternehmen in Ihrer Branche aber auch in Ihrer Region. Welche Aspekte „Guter Arbeit“ setzen Sie schon seit längerem um, um sich abzuheben? Was hat sich bewährt?

Cornelia Stegemann: Ich bin seit 32 Jahren in der Branche tätig. Es gab schon immer Probleme, Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter in der Altenpflege zu finden. Schon früher wollten gelernte Krankenpfleger nicht in die Altenpflege gehen. Wir beschäftigen uns also schon seit langem mit dem Suchen, Finden und Binden von Fachkräften, um einmal die Formulierung von Fachkraft im Fokus aufzugreifen.

Unser Grundgedanke bei allem was wir tun ist, dass eine stetige Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeit Bindung und Loyalität bewirkt. Nehmen wir beispielsweise die Arbeitszeiten, die ja immer ein wichtiges Thema sind. Wir haben vor einigen Jahren ein Arbeitszeitkonto eingeführt. Dies geschah nicht mit dem Hintergedanken der Kontrolle. Vielmehr ging es darum, den Kolleginnen und Kollegen mehr Flexibilität zu ermöglichen, wenn sie ihre Arbeitszeiten rund um Kita, Hort bzw. Schule mit den jeweiligen Schließ- und Ferienzeiten planen oder wenn sie, wie das bei einigen älteren Beschäftigten der Fall ist, ihre Angehörigen pflegen. Gleichzeitig wollen wir bei der Dienstplanung die größtmögliche Verlässlichkeit gewährleisten.

Um beides zu realisieren gibt es einen Rahmenarbeitsplan, der unter der Voraussetzung einer kontinuierlichen Besetzung „ausgefüllt“ wird. Dabei können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuell einteilen lassen. Alle Beschäftigten arbeiten auf der Basis ihres Arbeitsvertrages, der das 3-Schicht-System umfasst. Doch innerhalb dieses 3-Schichtsystems gibt es Spielraum: z. B. jemand arbeitet im Mai nur 1x am Wochenende, in den nächsten 6 Monaten kann jemand keine Nachtschicht machen, usw.

Dazu arbeiten wir mit Wunschbüchern und mit einer Tauschbörse, wo die Kolleginnen und Kollegen ihre Dienste gegebenenfalls noch tauschen können, wenn etwas Unvorhergesehenes eingetreten ist. Damit dieses System funktioniert, ist es wichtig, dass es von allen im Team getragen wird.

Für mich persönlich ist es wichtig – neben dem was wir an finanziellen Unterstützungen anbieten beispielsweise bei den Fahrtkosten durch Tankgutscheine oder bei den Kitagebühren – dass die Beschäftigten spüren, dass nicht nur sie mit der Einrichtung verbunden sind, sondern das Unternehmen auch mit ihnen. Dazu gehört für uns ganz selbstverständlich, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu würdigen und ihnen auch mal „Danke“ zu sagen wie an ihrem Geburtstag, am Frauentag, am Männertag, zu Weihnachten oder zum neuen Jahr. Wir pflegen dafür Rituale mit Blumen, kleinen Geschenken, Kuchen und natürlich persönlichen Glückwünschen.

Blog „Gute Arbeit“: Wozu haben Sie die Mitarbeiterbefragung durchgeführt? Was wollten Sie gern erfahren?

Cornelia Stegemann: Ich bin während eines Symposiums auf die Wertenetz©-Befragung aufmerksam geworden. Wir machen bereits alle zwei Jahre eine Mitarbeiterbefragung unter dem Aspekt Mitarbeiterzufriedenheit. Wertenetz© bot mir hier einen Blick von außen an. Außerdem werden noch andere Themen betrachtet, als es bei uns bisher der Fall war.

Mich haben dabei vor allem zwei Bereiche interessiert: Wie sehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Chancen beim Thema Fort- und Weiterbildung? Sind Sie mit unseren Maßnahmen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zufrieden?

Blog „Gute Arbeit“: Worin sehen Sie sich bestätigt? Was hat Sie überrascht?

Cornelia Stegemann: Wir fühlen uns erst einmal generell in unserem Handeln bestätigt. Wir sind auf einem guten Weg. Wir machen bereits viel für unsere Beschäftigten. Dies wird von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesehen und gewürdigt. Das hören wir auch in den Mitarbeitergesprächen. Die bisherigen Maßnahmen, die wir geplant und umgesetzt haben, greifen gut. Aber es gibt immer Spielraum, Potenzial nach oben.

Überraschend war für mich das Ergebnis, dass der Küchenbereich Fortbildungen nicht für sinnvoll hält und nicht daran interessiert ist.

Blog „Gute Arbeit“: Sie haben nach der Befragung eine Auswertung erhalten, die aufzeigt, wo weitere Potenziale für die Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit liegen. Welche Themen sehen Sie davon als die wichtigsten an?

Cornelia Stegemann: Zunächst einmal hat mir an der Befragung gefallen, dass die Auswertung schnell erfolgte und wir die Möglichkeit hatten, verschiedene Bereiche zu betrachten und deren Ergebnisse auswerten zu lassen. Aufgrund dessen ergeben sich für mich drei Schwerpunkte, bei denen wir ansetzen werden:

  • Küche: Hier müssen wir die Kolleginnen und Kollegen dafür sensibilisieren, dass Fort- und Weiterbildung der zentrale Schlüssel zum Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes ist. Denn neben ausgebildeten Köchen beschäftigen wir auch zahlreiche Küchenhilfen. Diese haben es auf dem Arbeitsmarkt als an- und ungelernte Kräfte oft nicht leicht.
  • Soziale Betreuung: Wir bieten unseren Bewohnerinnen und Bewohner ja eine große Auswahl an Aktivitäten an. Hier werden wir in unserem Team genauer schauen, was bringt jeder individuell mit. Der eine ist sportlich, der andere mag lieber Musik machen. Bisher haben wir nicht berücksichtigt, ob die jeweilige Kollegin oder der Kollege, die die Seniorinnen und Senioren z. B. bei einer Musikaktion begleitet, auch gerne Musik macht. Die Bewohnerinnen und Bewohner spüren natürlich, wenn jemand nicht so dabei ist.
  • Pflege: Bei allen Maßnahmen, die wir als Fach- oder Führungsteam planen und umsetzen wollen, müssen unsere Bewohnerinnen und Bewohner sich selbst gut betreut wissen. Wir müssen deshalb sicherstellen, dass sobald größere Besprechungen oder Projekte anstehen, sie darüber Bescheid wissen und auch den Ansprechpartner kennen, an den bzw. die sie sich wenden können.
Bei der Übergabe des Landessiegels am 6. Mai 2019
Bildnachweis: (c) Fachkraft im Fokus

Blog „Gute Arbeit“: Was haben Sie eventuell schon umgesetzt bzw. konkret geplant?

Cornelia Stegemann: Grundsätzlich wollen wir die bisher erfolgreich umgesetzten Maßnahmen beibehalten.

Im Hinblick auf die Dienstplangestaltung werden wir noch genauer hinschauen, wo bzw. wann die Bedarfe der Betreuung bei unseren Bewohnerinnen und Bewohnern liegen. Daraus ermitteln wir dann, was wir konkret an Arbeitszeit benötigen. Natürlich arbeiten wir an 365 Tagen, 24 Stunden. Wir müssen aber auch die Biografien der Bewohnerinnen und Bewohner berücksichtigen. Jeder hat andere Bedarfe. Zum Beispiel ein ehemaliger Bäcker, der es gewohnt ist, bereits 3:00 Uhr früh in den Tag zu starten. Für den muss ab 3:00 Uhr früh eine Betreuung zur Verfügung stehen. Wir möchten unsere Seniorinnen und Senioren nicht erziehen oder verändern, sondern sie so begleiten wie sie sind. Wir prüfen alle vier Wochen, ob das gegeben ist, wollen aber noch stärker darauf Rücksicht nehmen.

Außerdem wollen wir uns intensiv in nächster Zeit mit der Möglichkeit auseinandersetzen, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Arbeit „Zeit zu schenken“. Das bedeutet, die Arbeitszeiten noch stärker zu flexibilisieren, um weiter weg zukommen von der klassischen Schichteinteilung z. B. von 8:00 bis 15:00 Uhr. Wir stellen uns gemeinsam mit den Beschäftigten bei der Arbeitseinteilung Fragen wie: „Muss es jeden Tag die gleiche Stundenzahl sein?“. Im Ergebnis möchten wir damit die Bedarfe der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Beschäftigten weiter in Einklang bringen.

Blog „Gute Arbeit“: Es gibt die Theorie, dass Unternehmen sich bereits verändern, wenn sie beginnen, sich intensiv mit bestimmten Fragen zu beschäftigen. Durch Wertenetz© ging es bei Ihnen um Aspekte „Guter Arbeit“, Mitarbeiterzufriedenheit und damit auch um Arbeitgeberattraktivität. Welche Veränderungen konnten Sie tatsächlich feststellen?

Cornelia Stegemann: Wenn ich mir wieder unsere drei Ansatzpunkte aus der Befragung anschaue, dann ergibt sich für mich folgendes Bild:

  • Pflege: Hier gab es viele Themen, die den Bereich bewegen: Fachliche Weiterentwicklung, Einkommen, Arbeitszeit, Außenwirkung und Lob und Anerkennung. In der Pflege müssen wir die individuellen Bindungen der Pflegekräfte mit den Bewohnerinnen und Bewohnern berücksichtigen, weil hier jeder einen anderen Bedarf an Nähe fordert und die Kolleginnen und Kollegen individuell einen anderen Bedarf an Nähe geben können.
  • Küche: Wir haben erkannt, dass die Sicherheit des Arbeitsplatzes für die Teammitglieder besonders wichtig ist ebenso wie die Möglichkeit der Mitgestaltung. Das wird auch schon gelebt. So nimmt das Team Rücksicht auf die individuelle Speisegestaltung der Bewohnerinnen und Bewohner und erfüllt gern deren Wünsche bei Geburtstagen.
  • Soziale Betreuung: Die Soziale Betreuung unser Bewohnerinnen und Bewohner ist der unruhigste Bereich, in dem ständig Flexibilität und Kreativität gefordert sind. Weil wir die Gestaltung der Arbeitszeiten für das Team anhand der Biografien und Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner vornehmen, liegen diese auch außerhalb der „regulären“ Arbeitszeiten Montag bis Freitag von 8:00 bis 16:00 Uhr. Die Folge ist sicherlich eine hohe Belastung. Zumal die Arbeitszeitgestaltung von dem abweicht, was sie in den anderen Teams erleben. Daher unterstützen das Team 19 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als festen Baustein und wir unterstützen das Team mit einer begleitenden Supervision, die vier Mal im Jahr stattfindet.

Zentraler Punkt ist und bleibt jedoch die Anerkennung des Einsatzes und der Flexibilität, die die Teammitglieder immer wieder an den Tag legen.

Blog „Gute Arbeit“: Frau Stegemann wir danken Ihnen für das Gespräch.