Anonyme Bewerbung – Was ist denn das?

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Das Konzept der anonymen Bewerbung ist nicht neu, aber immer noch aktuell. Leider, denn zahlreiche Studien belegen, dass Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt – trotz verbesserter Rahmenbedingungen – immer noch verbreitet ist.

Die Idee, die hinter einem anonymisierten Bewerbungsverfahren steht, ist die Möglichkeit, Diskriminierungen im Bewerbungsprozess zu verringern. Dadurch, dass bestimmte Informationen in den Bewerbungsunterlagen nicht vorhanden sind, können Personalverantwortliche nicht mehr anhand dieser Merkmale eine Entscheidung fällen. Eine solche Entscheidung treffen viele in den meisten Fällen oft unbewusst.[1]

Logischerweise beinhaltet dies lediglich die Entscheidung über die Einladung zu einem persönlichen Gespräch, denn spätestens hier werden viele der bisher unbekannten Merkmale offenbar. Doch es gibt Hinweise, dass Diskriminierung gerade in der ersten Stufe des Bewerbungsverfahrens am größten ist. Haben Bewerberinnen und Bewerber die Chance, sich vor Ort vorzustellen, können oft vorweggenommene Annahmen überwunden werden.

Was genau eine anonyme Bewerbung enthält und worauf hier zu achten ist, haben wir zwei Expertinnen aus dem Team der Fachkräfteberatung von Fachkraft im Fokus gefragt. Ilka Frebel und Nicole Kegel aus der Regionalberatungsstelle in Magdeburg unterstützen Fachkräfte bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung. Beide stehen auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern mit Rat zur Seite, wenn diese wissen möchten, was ihre Bewerbenden bewegt.

Blog „Gute Arbeit“: Frau Kegel, Frau Frebel können Sie uns einen kurzen Überblick geben, welche Angaben – also Merkmale – wir nicht mehr in einer anonymen Bewerbung finden und welche dort noch immer zu lesen sind?

Frau Kegel: Nicht zu lesen sind sämtliche Angaben, die Rückschlüsse auf die Person zu lassen. Dazu gehören zum Beispiel der Name, das Geburtsdatum oder die Anschrift. Auch ein Foto gehört natürlich nicht in eine anonyme Bewerbung.

Frau Frebel: Im Anschreiben finden sich dennoch die klassischen Elemente, Ortsangabe und Unterschrift entfallen. Was in dem Lebenslauf noch bleibt, sind insbesondere Angaben zum Schul- und Berufsabschluss, zu ausgeübten Tätigkeiten und erworbenen beruflich relevanten Qualifikationen. Diese Angaben werden allerdings ohne Daten und Namen von Institutionen und früheren Arbeitgebern aufgeführt.

Blog „Gute Arbeit“: Okay, wenn ich jetzt eine Bewerbung in anonymer Form erstelle, worauf sollte ich dann besonders achten?

Frau Frebel: Damit Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit Ihnen Kontakt aufnehmen können, benötigen Sie in jedem Fall eine neutrale E-Mail-Adresse, aus der Ihr Name nicht erkennbar ist. Falls Sie sich schriftlich austauschen, benötigen Sie ein Postfach, an das alle Rückantworten gesendet werden können.

Wir haben zur Erstellung einer anonymen Bewerbung eine Checkliste erstellt. Diese finden Sie in der Mediathek auf der Webseite Fachkraft im Fokus unter der Kachel „Checklisten zum Download“.

Blog „Gute Arbeit“: Frau Kegel, eine Studie unter Leitung der Otto-Friedrich-Universität Bamberg im Auftrag des Jobportals „Monster“[2] hat ergeben, dass Frauen die Möglichkeiten einer anonymen Bewerbung besser bewerten als Männer. Welche Vorteile hätte denn ein Unternehmen, wenn es für seine Personalsuche anonyme Bewerbungsverfahren einsetzen würde?

Frau Kegel: Aus dem englischsprachigen Raum stammt die Personalgewinnungsstrategie „Hire for personality train for skills“, also jemanden aufgrund seiner Persönlichkeit einzustellen und sie bzw. ihn für die jeweilige Stelle zu qualifizieren. Ich frage mich, wie sich Personalverantwortliche sicher sein können, dass sie aus den eingehenden Bewerbungen tatsächlich die vielversprechendsten Kandidat:innen einladen, wenn ihre Entscheidungen unbewusst durch nicht relevante Informationen beeinflusst werden.

Daher sehe ich für Unternehmen in einem solchen Bewerbungsverfahren die Chance, viel mehr Personen wahrzunehmen, die mögliche Kandidat:innen für offene Stellen sind. Der Suchraum wird somit größer und die Unternehmen lernen auf diese Art tolle neue Mitarbeiter:innen kennen, die sie möglicherweise sonst ausgeschlossen hätten.

Blog „Gute Arbeit“: Frau Frebel, Frau Kegel wir danken Ihnen für Ihre Tipps und Hinweise.


[1] Krause, A., Rinne, U. , Zimmermann, K. F., (2014) IZA Research Report No. 63, Abschlussbericht des Projektes „Anonym Bewerben in Baden-Württemberg“

[2] Weitzel, T., u. a, (2016) Themenspecial: Bewerbung der Zukunft – Ausgewählte Ergebnisse der Recruiting Trends 2016, einer empirischen Studie der Top 1.000 Unternehmen aus Deutschland sowie der Top 300 Unternehmen aus den Branchen Automotive, Handel und IT, und der Bewerbungspraxis 2016, einer empirischen Studie mit über 4.800 Stellensuchenden und Karriereinteressierten im Internet