Das Caritas Altenpflegeheim Kardinal-Jaeger-Haus in Oschersleben ist eine von 28 Einrichtungen der Caritas-Trägergesellschaft St. Mauritius gGmbH (ctm). 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 33 ehrenamtliche Kolleginnen und Kollegen betreuen 114 Pflegeplätze und bieten den Bewohnerinnen und Bewohnern eine Vielfalt von Gruppen- und Einzelaktivitäten.
Eine Besonderheit ist sicherlich das Nachtcafé, das sich eigentlich mit seinen Angeboten und Öffnungszeiten an die an Demenz erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner mit einem umgekehrten Tag-Nacht-Rhythmus wendet, gern aber auch von Gästen aus dem Ort besucht wird.
Die enge Zusammenarbeit mit dem Kindergarten, der Grundschule und der Kirchengemeinde macht es möglich, generationenübergreifende Angebote zu entwickeln. So profitieren nicht nur die einzelnen Einrichtungen sondern auch die Stadt Oschersleben von der Vielfalt der Angebote.
Dies umzusetzen, ist nur möglich mit einem hochengagierten Team. Wir haben den Einrichtungsleiter Andreas Kretschmer gefragt, wie er mit den Herausforderungen der Personalarbeit in Zeiten des Fachkräftemangels in der Pflege umgeht.
Blog „Gute Arbeit“: Herr Kretschmer das Wort „Pflegenotstand“ ist bundesweit unter den TOP 5 der drängendsten Themen, die gesellschaftspolitisch gelöst werden müssen. Wenn wir es mal herunterbrechen auf Ihre Einrichtung, wie gehen Sie mit den Herausforderungen der Fachkräftesuche um? Wie gelingt es Ihnen Fachkräfte für Ihre Einrichtung zu gewinnen?
Andreas Kretschmer: Wir sind derzeit in der komfortablen Situation aufgrund einer geringen Fluktuationsrate und einer im Branchenvergleich geringen Krankenquote mit einem stabilen Team zu arbeiten. Daher ist die Personalgewinnung bei uns im Haus kein akutes Problem.
Blog „Gute Arbeit“: Wow! Wie haben Sie das geschafft?
Andreas Kretschmer: Ich denke, dass es uns gelungen ist, unser Leitbild mit den Werten Verbindlichkeit, Fachlichkeit, Menschlichkeit, Engagement und Gottvertrauen nicht nur als Handlungsleitlinie gegenüber unseren Bewohnerinnen und Bewohnern mit Leben zu füllen, sondern es auch als Grundlage für unser Führungshandeln einzusetzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unsere wertvollste Ressource. Das ist nicht nur daher gesagt, sondern wir zeigen diese Wertschätzung auch.
Dazu zählt, dass wir Tariflohn entsprechend AVR Ost zahlen und unseren älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, Arbeitszeit auf Zeitwertkonten anzusparen.
Wir legen Wert auf das Prinzip der Partizipation. Konkret heißt das, dass unsere Pflegekräfte bei der Dienstplangestaltung ein großes Mitspracherecht haben und ihre Wünsche berücksichtigt werden. Dabei ist uns eine familienfreundliche Planung sehr wichtig. Wir planen mit „Mutti-Diensten“, die zeitlich so gestaffelt sind, dass für unsere beschäftigten Eltern die Kinderversorgung weiterhin möglich bleibt. Wenn beide Partner im Schichtbetrieb arbeiten, berücksichtigen wir dies auch, so dass ausreichend gemeinsame Zeit mit der Familie bleibt.
Außerdem bieten wir unseren Talenten Möglichkeiten, die eigene Karriere in unserer Einrichtung voran zu bringen, sei es beispielsweise durch Aufstieg von der Hilfs- zur Fachkraft oder durch Spezialisierung in bestimmten Fachbereichen der Pflege.
In vielen Fällen geht es aber auch um die kleinen Gesten der Anerkennung, wenn Kolleginnen oder Kollegen sich besonders eingesetzt haben oder öfter doch mal als Vertretung eingesprungen sind. Dann sagen wir z. B. mit einem Gutschein für ein Abendessen oder mit Eintrittskarten zu einer Familienattraktion herzlichen Dank.
Blog „Gute Arbeit“: Was ist aus Ihrer Sicht wichtig, damit Ihr Team gute Pflege leisten kann?
Andreas Kretschmer: Unter dem organisatorischen Aspekt ist es aus meiner Sicht zentral, dass wir für unsere Kapazitäts- und Dienstplanung mit der Nettoarbeitszeit und nicht mit der Brutto-Arbeitszeit rechnen. Damit wird die Personaldecke, wenn Sie so wollen, dicker. Neben der oben schon erwähnten Familienfreundlichkeit der Dienstplangestaltung ist für uns die Gesundheitsförderung ebenso wichtig. Daher planen wir nicht mehr als drei Spätdienste hintereinander ein und vermeiden im Nachgang einen kurzen Wechsel auf die Frühschicht, so dass ausreichend Zeit zur Erholung bleibt. Außerdem halten wir in regelmäßigen Abständen die Wochenenden frei.
Ein wesentliches Ziel bei der Planung ist es für mich, die Verbindlichkeit der monatlichen Dienste weitestgehend zu gewährleisten. Urlaub und Feiertage können wir natürlich einplanen, allerdings sind krankheitsbedingte Ausfälle schon schwieriger zu kompensieren. Wir beschäftigen deshalb seit drei Jahren zwei Pflegekräfte, die als Springerinnen arbeiten. Sie erhalten für die Flexibilität, die sie sowohl fachlich als auch organisatorisch mitbringen, eine Funktionszulage entsprechend ihres Stundenumfanges. Aufgrund ihrer Tätigkeit sind sie in das ganze Haus integriert. Dadurch ist es uns gelungen, die oben angesprochene Verbindlichkeit erheblich zu erhöhen. Das entlastet sowohl die gesunden Pflegekräfte, weil sie sich auf ihren Dienstplan verlassen können, aber auch die arbeitsunfähigen Kolleginnen und Kollegen, weil sie nicht mehr das Gefühl haben, ihr Team im Stich zu lassen.
Blog „Gute Arbeit“: Und wie sehen das die beiden Springerinnen?
Andreas Kretschmer: Wir haben beide vor einiger Zeit befragt und ihre Aussagen waren:
„Ich kenne alle Bewohner.“
„Ich kenne viele Dienste.“
„Ich hätte schon viel früher als Springer gehen sollen.“
„Ich sehe die Funktionszulage als motivierend an.“
Das Fazit für mich war: Wir als Dienstgeber müssen uns bewegen, wenn wir gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen und halten wollen.
Blog „Gute Arbeit“: Stichwort „Mitarbeitergewinnung“: In Zeiten kleiner werdender Schuljahrgänge bekommen ja sogenannte Quereinsteigende immer mehr Gewicht. Wie sieht es in Ihrem Haus aus? Haben Sie auch Kolleginnen und Kollegen, die vorher einem anderen Beruf nachgegangen sind? Falls ja, wie integrieren und entwickeln Sie diese Beschäftigten?
Andreas Kretschmer: Der überwiegende Teil unserer Hilfskräfte sind Quereinsteiger. Ich bin ja selbst einer!
Blog „Gute Arbeit“: Wie kam das denn?
Andreas Kretschmer: Über den Zivildienst bin ich eingestiegen und habe als Pflegehilfskraft begonnen. Danach habe ich die Ausbildung zur Pflegefachkraft absolviert und dann die Qualifizierung zum Pflegedienstleiter.
Wesentliche Erkenntnis aus all dieser Zeit ist für mich, dass die Einarbeitung fundiert erfolgen muss, weil die Hilfskräfte einen großen Teil ihrer Arbeit in direktem Kontakt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern erledigen. In unserer Einrichtung laufen die „Neuen“ zwischen zwei bis vier Wochen zunächst nur mit, um die Abläufe und deren Details kennen zu lernen. Gleichzeitig ist ihre Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen für uns ein absolutes Muss.
Damit wir erfolgreich Quereinsteiger in unser Team integrieren können, gehen wir Wege, von denen man denken könnte: „Es geht doch nicht.“ Z. B. haben wir, weil wir hier im ländlichen Raum sind und nicht jede neue Kollegin bzw. jeder neue Kollege einen Führerschein oder ein Auto hat, die Dienstpläne unter Berücksichtigung des Busfahrplans erstellt. Stolz macht es mich unter anderem auch, dass es uns gelungen ist, eine gehörlose Kollegin mit Unterstützung des Integrationsfachdienstes in unser Team aufzunehmen.
Blog „Gute Arbeit“: Sie arbeiten auch mit einem Team von Ehrenamtlichen. Die bringen ja bereits eine hohe Motivation mit. Trotzdem ist ja auch für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Lob und wichtig. Wie sieht das denn bei Ihnen aus?
Andreas Kretschmer: Unsere Ehrenamtlichen begleiten unsere Bewohnerinnen und Bewohner zu Festen, sie unternehmen mit ihnen Ausflüge oder arbeiten als Sterbebegleitung. Eine ehrenamtliche Kollegin hat ein Händchen für Blumen und Dekoration und ist deshalb für die Gestaltung des Eingangsbereiches verantwortlich. Damit sind alle nicht nur eine Stütze für die Bewohnerinnen und Bewohner selbst, sondern auch für das Team der hauptamtlichen Pflegekräfte. Diese nehmen das auch so wahr und spiegeln mir das in unseren Teambesprechungen.
Ein Beispiel dafür ist unsere Pforte, die montags bis sonntags von 08:00 bis 20:00 Uhr durch Ehrenamtliche besetzt ist. Sie sind Ansprechpartner für Gäste und geben dort Information und Orientierung. Ihre Präsenz vermittelt den Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner ein Sicherheitsgefühl, wobei es nicht darum geht, den Eindruck einer geschlossenen Einrichtung zu vermitteln. Doch gerade im Fall von Demenz erkrankten Bewohnern können diese durch die Ehrenamtlichen an der Pforte angesprochen werden, wenn sie die Einrichtung verlassen möchten. Die Pforte informiert dann auch die jeweiligen Wohnbereiche, so dass sich eine Pflegekraft von dort kümmern kann. Durch die Besetzung der Pforte werden Besucher und Gäste bei uns persönlich empfangen.
Weil diese Stütze für uns so wichtig ist, organisieren wir einmal im Jahr eine Dankesfeier speziell für die Ehrenamtlichen.
Blog „Gute Arbeit“: Wenn Sie an Ihren eigenen Aufgaben- und Verantwortungsbereich denken, was macht für Sie persönlich „Gute Arbeit“ aus?
Andreas Kretschmer: Ich möchte weiterhin ein offenes Ohr für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auch für unsere Bewohnerinnen und Bewohner haben und vor allem behalten. Dabei ist für mich unser Leitbild in jedem Fall eine Orientierung.
Wenn ich mir selbst die Frage stelle: „Wie werde ich diesem Anspruch gerecht?“, dann komme ich zu folgendem Schluss:
Ich kann von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur dann etwas erwarten, wenn ich es selber vorlebe!
Blog „Gute Arbeit“: Herr Kretschmer wir danken Ihnen für das Gespräch.