Ist Homeoffice ist für alle Beschäftigten gut?

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Aktuell kommen immer mehr Wünsche und zunehmend Forderungen auf, dass Unternehmen mehr Homeoffice für ihre Beschäftigten ermöglichen sollen. Aus meiner langjährigen Berufspraxis weiß ich, dass Polarisierung häufig den Blickwinkel verengt und die Lösungsvielfalt einschränkt.

Deshalb lautet meine These Nummer 2: Homeoffice ist für alle Beschäftigten und jede Arbeits- und Lebenssituation geeignet!

Widmen wir uns zunächst zwei typischen Konstellationen für die Homeoffice geradezu prädestiniert ist.

  1. Langer Arbeitsweg: Personen, die täglich einen langen Arbeitsweg haben, profitieren erheblich von der Möglichkeit zu Hause zu arbeiten. Bei einer Fahrtzeit von täglich jeweils einer Stunde Hin- und Rückweg zum Arbeitsort kommen wöchentlich 10 Stunden zusammen, die nicht für Familie oder Erholung genutzt werden können. Mit einer Flexibilisierung der zeitlichen Lage der Arbeitszeit kommen weitere Positiveffekte hinzu, wenn es beispielsweise um Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen geht.
  2. Kreativ- und Konzentrationsarbeit: Wie in meinem letzten Blogbeitrag beschrieben, eignet sich Homeoffice besonders für ungestörtes, konzentriertes Arbeiten. Voraussetzung dafür ist, dass tatsächlich sämtliche Störungen von „innen“ und „außen“ reduziert werden.

Wann und für wen eignet sich Homeoffice nicht:

  1. „Abkoppelung“ vom Team: Homeoffice kann bei Nutzung über längeren Zeitraum zu einer gewissen „Abkoppelung“ vom Team und auch einem Gefühl von Einsamkeit führen. Ich habe es selbst im April 2020 erlebt! Man erhält nicht mehr alle Informationen (sei dies auch unbeabsichtigt) oder bekommt diese zeitverzögert. Das Gespräch beim Mittagessen mit den Kolleginnen und Kollegen oder auch die gewohnte Teamsitzung fehlen. Die meisten von uns benötigen diese direkten sozialen Kontakte, auch im Arbeitsleben, um sich entfalten und wohlfühlen zu können.
  2. Doppelbelastung durch Kinder: Sicher kennen Sie den folgenden Spruch. „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“ Häufig wird Homeoffice genutzt, um Kinderbetreuung zu gewährleisten bzw. abzusichern. In Sondersituationen wie wir sie gegenwärtig haben oder auch für eine kurzfristige Betreuung z. B. an Schließtagen der Kindergrippe mag dies eine geeignete Lösung sein. Dauerhaft führt Homeoffice in dieser Konstellation jedoch häufig zu einer „Doppelbelastung“ der Eltern. Besonders trifft dies zu, wenn es sich um kleinere Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter handelt. Im Normalfall hilft für diese Beschäftigten eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit weitaus mehr als Homeoffice zu „regulären“ Arbeitszeiten.
  3. Notwendigkeit des Verlassens der Komfortzone: Wir alle haben bezogen auf verschiedene Arbeits- und Lebensbereiche ganz unterschiedliche Komfortzonen. Dies trifft auch auf den eigenen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung und die Arbeitsabläufe zu. Für einige Personen bedeutet das Verlassen des gewohnten Arbeitsplatzes ein Verlassen der Komfortzone in erheblichem Maß. Für diese Personen ist Homeoffice oft mehr Stress als Entlastung.

Ich bin mir bewusst, dass es weitaus mehr geeignete oder auch nicht geeignete Homeoffice-Konstellationen gibt. Vielleicht prüfen Sie dies einmal vor Ihrem persönlichen Arbeits- und Lebenskontext.

Mein persönliches Fazit: Die o. g. These kann nur teilweise bestätigt werden und ist mit einem klaren JEIN zu beantworten. Bei der Gewährung oder „Anordnung“ von Homeoffice gilt es Rahmenbedingungen, persönliche Situation der Beschäftigten und Anforderungen des Unternehmens in Einklang zu bringen. Dies muss stets mit Augenmaß und in engem Dialog mit allen Beteiligten erfolgen.